01_ Busy Bathroom
Intimität und Gemeinschaftserlebnis müssen kein Widerspruch sein. Das Busy Bathroom ist der Hot Spot eines modernen Lebensstils und trägt Konzeption und Ausstattung dem viel zu lange unterdrückten Bedürfnis nach Kommunikation im Badezimmer Rechnung.
Busy Bathroom – auf Tuchfühlung mit den anderen
Wir sind es gewohnt, die Tür hinter uns zu schließen, wenn wir ins Bad gehen. Doch das Badezimmer als Rückzugsort ist eine moderne Erfindung. Mit der Aufwertung zum Wohnraum und der wachsenden Angebotspalette für das gemeinschaftlich genutzte Bad gewinnt das Zimmer mit Wasseranschluss wieder eine stark soziale Dimension. Fast so, wie der Raum sie in der Tradition der europäischen Badehäuser einmal besaß und in Kulturen wie dem Hamam heute noch verkörpert: als Ort der Begegnung.
Träume sind etwas Schönes, etwas, das uns inspiriert. So wie der Traum von der einsamen Insel, oder auch der von einem Traum-Bad „nur für mich allein“. Designer und Architekten, Badplaner und Produktentwickler müssen sich aber auch fragen: Schaffen wir uns eine Wohnumgebung, die unserem Ideal entspricht, oder eine, die unseren Bedürfnissen gerecht wird? Ist das Bad ein Abbild unserer Wunschträume oder ein Raum zur Entfaltung unentdeckter Potenziale des Miteinanders?
Es ist noch gar nicht so lange her, dass wir die Idee der „Guten Stube“ samt Polsterschonern aufgegeben haben zugunsten eines von Leben erfüllten Wohnzimmers, in dem die gesamte Familie alltags ihre gemeinsame Zeit genießen kann. Noch näher zurück liegt der Aufbruch der Küchen-Zelle und ihre Öffnung zum Wohn- und Essbereich. In manchen Wohnstudien von Architekten und Designern erscheint dieser Tage nun selbst das Bad als mehr oder weniger offener Bereich – offen zum Schlafzimmer, offen zum Garten oder sogar offen zum Wohnbereich.
Doch so weit muss innovative Badplanung gar nicht gehen. Es reicht, sich dem Gedanken einer Öffnung dieses so intimen Raums für mehrere Nutzer gleichzeitig anzunähern. Diesem Gedanken haben die Messe Frankfurt und die Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft VDS auf ihrem Trendforum Pop up my Bathroom einen Namen gegeben: Busy Bathroom. Ein „geschäftiges“ Bad also, das vor Leben vibriert.
Individualisten schätzen wir die Intimität des Badezimmers
Keine Frage: Als Gesellschaft von Individualisten schätzen wir die Intimität des Badezimmers, um Zeit für uns allein zu haben. Dass das nicht immer so war, sondern vielmehr ein kulturell erlerntes Verhalten widerspiegelt, zeigen die Beispiele quirligen Familienlebens, in der Kinder das Bad – oft zum Leidwesen der Eltern – instinktiv und ohne jede Berührungsangst zum Zentrum des sozialen Lebens machen. Doch auch im späteren Leben finden hier mehr soziale Kontakte und intime Begegnungen statt, als wir uns gemeinhin bewusst machen. Ähnlich wie die Küche ist das Bad ein Ort täglicher Routinen, an dem nicht nur existenzielle Bedürfnisse wie Essen (im Fall der Küche) und Hygiene, sondern auch solche nach Kommunikation und Sozialisation befriedigt werden. Denn im Badezimmer kümmern wir uns nicht nur um uns selbst, sondern auch um andere: Wir putzen unseren Kindern die Zähne, schrubben unserem Lebenspartner in der Badewanne den Rücken oder reichen ihm ein Handtuch, kommentieren die digitale Anzeige auf der Waage und den Kalorienzähler am Fitnessgerät, kämmen unseren Geschwistern die Haare (oder ziehen daran), assistieren unserer Freundin beim Schminken oder unserem Freund bei der Versorgung des Sonnenbrands, treffen uns nach dem Sport zum Saunagang oder helfen unseren Eltern beim Aussteigen aus der Badewanne. Hier sind wir uns nahe, beweisen unsere Zuneigung und suchen die Bestätigung durch Familie, Partner und Freunde.
Was die Küche bei jeder Party und der Schminkspiegel in jedem Club, ist das Badezimmer während des Morgenrituals oder beim abendlichen Chillen: der eigentliche Treffpunkt der Gruppe. Mit dem Unterschied, dass hier ein hohes Maß an Vertrautheit oder zumindest Intimität gefordert ist; eine Vertrautheit, die auf langjährigem Zusammenleben gründet – oder auf einem erst im Moment der Begegnung entstandenen, fragilen Empfinden von Nähe. In jedem Fall aber schafft das Badezimmer, schafft der Ort an sich eine besondere Atmosphäre des Sich-aufeinander-Einlassens. Ob als Ruheinsel im Alltagsstrom oder als geschützter Raum für offene Begegnungen – das Bad kann zu einem magischen Ort werden, an dem besondere Erlebnisse stattfinden, von der inspirierenden Dusche bis zum Initiationsgespräch zwischen Vater und Sohn, Mutter und Tochter oder zwei Freundinnen.
Im Busy Bathroom geht es vor allem darum, Möglichkeiten zur gemeinsamen, barrierefreien Nutzung, zur Kommunikation, zur Multifunktionalität und zum Wohlfühlen zu schaffen, um mehr Zeit und Intimität mit Familie und Freunden teilen zu können.
Kommunikationsraum Bad
Der weit größere Teil kommunikativer Funktionen, die das Badezimmer erfüllt, sind freilich banaler Natur: Hier wird morgens über den Tagesablauf gesprochen, hier wird Kritik geübt und Motivation ausgesprochen, während ein Doppelwaschtisch den reibungslosen Ablauf gewährleistet. Hier wird unter der Dusche gelacht und die Beziehung durch gemeinsamen Badespaß gefestigt. Hier werden die Kenntnisse vermittelt, wie man sich verhält, pflegt, verarztet, schön macht. Hier wird das Selbstbild überprüft, indem der Spiegel und ein Partner zurate gezogen werden. Hier wird – wieder unter den kritischen Augen eines Gegenübers – das Bild gestylt, das man/frau der Außenwelt nach Waschen, Kosmetik, Frisieren und Krawatte zurechtrücken präsentieren will.
Immer mehr Menschen artikulieren das Bedürfnis, diese Dinge mit einem Partner zu teilen und im Badezimmer auch mal mit anderen zusammen zu sein. Nicht immer, aber ab und zu. Das von den Verbrauchern immer stärker eingeforderte Raumangebot für das Badezimmer ist nicht nur als Bedürfnis für ein allein genutztes Private Spa zu interpretieren. Denn Großraumduschen, Doppelbadewannen und Doppelwaschtische werden auch deshalb immer stärker nachgefragt, weil das Badezimmer als gemeinschaftlich genutzter Raum hoch im Kurs steht – und das nicht nur bei Familien. Das Bad dient heute nicht mehr nur der Körperpflege, sondern auch der Gesundheits- und der Beziehungspflege. Gekuschelt wird demnach nicht mehr nur auf dem Sofa, sondern auch im Badezimmer. Was liegt da näher, als dem Wunsch nach mehr Wohnlichkeit nachzukommen und Platz für Sitzmöbel, Fitnessgeräte und insgesamt mehr Bewegungsfreiraum zu schaffen? Bewegungsraum für spielende Kinder, Yoga-Übungen, Liegestützen, Bücherwürmer und Entspannungsstunden.
Raum auch für die Sauna, die in neuer, häufig überraschend transparenter Optik ein Comeback feiert. Allerdings nicht unbedingt im Keller, sondern zunehmend im Badezimmer. Die Sauna selbst steht schließlich nicht nur für Entspannung des Einzelnen nach einem harten Arbeitstag, sondern auch für Geselligkeit unter Freunden. Diese Rolle steht in der skandinavischen Sauna-Kultur sogar häufig im Vordergrund. Überall da, wo die Badekultur einen Ausgleich schafft zu Kälte und Alleinsein, oder wo sie rituelle Formen annimmt wie in vielen asiatischen oder auch arabischen Kulturkreisen, wird Kommunikation im Bad zu einem wichtigen Aspekt des körperlichen wie seelischen Wohlbefindens.
Ein Bereich, der weitgehend von kommunikativen Bedürfnissen ausgeklammert bleiben dürfte, ist die Toilette. Hier geht der Trend schon seit einigen Jahren zu einer Separierung oder gar Ausquartierung: Das Klo wandert aus dem Badezimmer in einen extra WC-Raum, der vom Bad oder vom Flur aus zugänglich ist. In diesem Punkt unterscheidet sich unsere Badkultur nachhaltig von der unserer römisch-antiken Vorbilder und vor-neuzeitlicher Praxis.
Das moderne Badezimmer vereint alte und neue Badkultur.
Das moderne Badezimmer vereint alte und neue Badkultur. Die kommunikativen Funktionen sind in den Jahren, in denen das Badezimmer kontinuierlich zu einem individuellen Wellness-Tempel gestaltet wurde, ja auch nicht abgestellt worden – man hat sich nur nicht recht dazu bekennen wollen. Entsprechend fehlt es an modernen Vorbildern und zukunftstauglichen Raumkonzepten. Dabei ist das Busy Bathroom nicht nur für Großfamilien und Wohngemeinschaften attraktiv. Auch eingefleischte Singles haben gerne Besuch und teilen mit ihm auch mal den Whirlpool oder die Badewanne, wenn es geht in einer Wanne mit einem immer häufiger verfügbaren Mittelablauf. Familien brauchen vor allem Platz, und zwar sowohl Freiraum als auch Stauraum, mit Doppelwaschtisch und vielen, vielen Ablagen. Universal Design als Leitgedanke erhält vor diesem Hintergrund eine neue Aktualität, denn es eignet sich als Gestaltungsprinzip nicht nur für das Generationenbad, sondern kann auch helfen, den Raum zu einem echten Treffpunkt der Generationen und des Freundes- und Familienkreises zu machen.
In Zeiten, in denen die Lebenswirklichkeiten der Mitglieder einer Gemeinschaft immer weiter auseinanderklaffen und die Tagesplanung selbst innerhalb einer Familie zunehmend asynchron verläuft, wächst die Bedeutung der wenigen festen Orte und Rituale, die Gemeinsamkeit erzeugen. Und das sind vor allem Tisch und Bad. Künftige Badplanung sollte dies gestalterisch zum Ausdruck bringen und damit die Wohnverhältnisse den realen Bedürfnissen anpassen. Das Busy Bathroom gibt hierzu Denkanstöße. Dabei geht es weniger um spezifische Gestaltungsprinzipien als darum, Möglichkeiten zu schaffen – zur gemeinsamen, barrierefreien Nutzung, zur Kommunikation, zur Multifunktionalität, zum Wohlfühlen. Egal, ob alleine oder zu mehreren. Denn den Schlüssel hinter sich umdrehen kann man ja immer noch.