Noch nie waren Badezimmer so groß, so hochwertig ausgestattet und so wohnlich eingerichtet wie heute. Und noch nie waren die Erwartungen an Baddesign so hoch. Die Sanitärbranche antwortet auf diese Erwartungshaltung mit umfangreichen Kollektionen, die unterschiedlichste Einbausituationen und gestalterische Geschmacksvarianten bei Oberflächen und Dekor berücksichtigen. Accessoires und stimmungsvolle Interieurs erhalten immer mehr Bedeutung. Bei der Ausstattung können Interior Designer heute auf eine Fülle an unterschiedlich gestalteten Objekten und Serien von der bodengleichen Duschwanne über tapetenähnliche Fliesen bis zur keramischen Waschbeckenskulptur zurückgreifen. Doch wohin führt das, und wo sind die Entwicklungspotenziale für Baddesign und Sanitärprodukte?
Die Zukunft des Bades liegt im Spiel mit dem Raum. Dabei geht es nicht einmal mehr so sehr um stilistische Kategorien wie „Landhausbad“, „Urban Style“ oder „Retro-Chic“, sondern um den Entwurf unterschiedlicher Raumkonzepte. Nicht mehr, wie ich den Raum bestücke, sondern wie ich ihn räumlich auffasse und funktional aufteile, ist dann die entscheidende Frage, die sich der Hausbauer und Badplaner stellen muss. Nicht nur die Inneneinrichter, auch die Industrie wird andere Ansätze verfolgen, denn es werden weniger klassische Badobjekte sein, die entwickelt werden, sondern Räume. Räume, die eine ganz bestimmte Funktion und eine individuell zu gestaltende Nutzungsqualität enthalten. Da werden nicht nur die Dusche, sondern auch das Waschbecken oder die Toilette zu einem Raum im Raum – alleinstehend, in Kombination mehrerer zusammengefasster Ausstattungselemente oder als bewusst hintereinander geschaltete Stationen täglicher Routinen und ritueller Entspannungsstunden. Was früher ein Badezimmer war – nämlich ein übersichtlicher, klar definierter geschlossener Raum, in den eine bestimmte Anzahl funktionaler Ausstattungsobjekte installiert wurden, und zwar nach dem einfachen Schema „einmal rund herum an der Wand entlang“ – wird zu einer gestalteten Raumfolge ineinander übergehender oder stärker voneinander getrennter Raumeinheiten. Denn der Badnutzer will keine Funktionsbox mehr, die auf möglichst kleinstem Raum seine Grundbedürfnisse in ergonomischer Weise erfüllt, sondern einen Raum für vielfältige Aktivitäten in einem intimen Rahmen: ein Zimmer mit unterschiedlichen Zonen, die der Hygiene, der lustvollen Körperpflege, der Fitness, dem Styling oder der geistigen und körperlichen Regeneration dienen können.
Das Bad ist zu einem eigenständigen Wohnraum geworden.
Wie Küche und Wohnzimmer werden heute Bad und Schlafbereich als zusammengehörend empfunden und immer häufiger als ineinander übergehende Räume realisiert. Nicht nur der Trend zum Homing ist dafür verantwortlich, auch die Hotelkultur mit ihren oftmals originellen Designlösungen für wohnlich-behagliche Arrangements hat die Erwartungshaltung an das private Bad geprägt. Moderne Programme sind heute auf die individuelle Umsetzung von Raumkonzepten ausgerichtet. Mit ihnen lässt sich das Bad in verschiedene Zonen unterteilen, etwa in einen mit Dusche und WC ausgestatteten Bereich zur Reinigung und einen zur Entspannung. Letzterer kann etwa die Badewanne zum Mittelpunkt nehmen und eine großzügige, komfortable Waschtischlösung anbieten, sodass eine gestalterisch wie auch klimatisch günstige Verbindung zum Schlafbereich gegeben ist. Immer öfter wird das WC gänzlich ausgegliedert oder zumindest deutlich abgesetzt, etwa durch eine als Raumteiler dienende Heizung, wie von Zehnder vorgeschlagen, oder durch eine Vorwandinstallation, die in den Raum hineinragt.
Wieder andere Raumkonzepte nehmen ihren Ausgangspunkt von einer minimalistischen Armatur und stellen das Wasser in den Mittelpunkt eines mal mehr lustbetonten, mal eher kontemplativen Entwurfs. Unter den Letzteren sind die Entwürfe zu den Armaturenprogrammen von Dornbracht, Mem und Elemental Spa schon Legende. Andere Raumkonzepte nehmen den offenen, fließenden Raum als Gestaltungsprinzip auf, ohne zonische Differenzierungen einzuplanen; Badewannen und sogar Duschen lassen sich heute völlig frei im Schlafraum platzieren, wie etwa die Musterbeispiele raumgreifend inszenierter Badewannen von Kaldewei zeigen.
Aber es geht nicht nur um Trennwände, Schiebetüren und vielfältige Holzdekore, die das Baddesign mit den übrigen Wohnbereichen verbinden. Der Wandel ist tiefgreifender und zieht sich bis hinunter zu Konzeption und Design der Produkte selbst. Am deutlichsten ist dieser evolutionäre Sprung an der Badewanne abzulesen, die sich von einer rein „negativen“ Form, also einem Hohlkörper, die einer (meist verfliesten) Umrandung und des Anschlusses an der Zimmerwand bedurfte, zu einem selbständigen, skulpturalen Objekt entwickelte, das frei im Raum platziert werden kann. Die Dusche wurde dafür soweit reduziert, dass sie als bodengleich integrierter Raum im Raum realisiert werden kann und zu einem rein architektonischen Element wird.
Wanne und wohnliche Materialien machen das Bad zum Zimmer
Mit der Badewanne fing alles an. Seit das Bild von Philippe Starcks erster Badkollektion um die Welt ging, fing man an, Sanitärobjekte als Möbel aufzufassen, die einen Raum für sich benötigen. Heute ist die frei stehende Badewanne das Zentrum vieler Raumkonzepte, die das Bad als vollwertigen Raum mit unterschiedlichen Nutzungszonen auffassen. Dabei lösen sich die Sanitärobjekte mehr und mehr von der Wand, ragen in den Raum hinein oder werden mittig platziert. Dadurch entstehen Sichtachsen, sich durchdringende oder abgeschirmte Raumteile. Aus Duschen werden Raumteiler, Vorwandelemente nehmen Armaturen und Waschbecken auf, und das WC verschwindet, wenn schon nicht ganz aus dem Bad, so doch zumindest in eine abtrennbare Nische. Denn der Rest des Bades wird als Wohnfläche definiert, die etwa durch Relax-Möbel und Teppiche ausgestattet wird. Dabei ist der Umfang, die Struktur und die „Bespielung“ mit Sanitärausstattungen dem jeweiligen Bedarf entsprechend zu wählen. Standardrepertoires sind kein Pflichtprogramm mehr. Raumkonzepte – insbesondere, wenn sie von einem Badplaner auf eine Person, eine Familie oder eine Institution zugeschnitten werden – schaffen den lange vermissten Spielraum zur Individualisierung des Bades.
Gestalterisch gibt es dabei zwei Richtungen: Entweder werden Waschtisch, Badewanne und Dusche zu einem architektonischen Element reduziert, mit dem sich Räume „bauen“ lassen, oder sie werden zu Objekten, die selbst einen Raum einnehmen – einen Hof, um den herum sich der Nutzer bewegt. Zuletzt trieb Kaldewei das Prinzip „Weg von der Wand“ mit dem Duschteller Piatto auf eine atemberaubende Spitze: Mit ihrem bühnenreifen Vorhang beansprucht das Ensemble aus Duschteller, magnetisch fixiertem Spritzschutz und Armaturenstele (Dornbracht) einen publikumswirksamen Platz, der die Grenze zwischen Wohnraum und Bad völlig aufhebt.
Damit beweist das Baddesign aber nicht etwa seine Sonderstellung, sondern vollzieht vielmehr nach, was sich im Interior Design und im Produktdesign der anderen Wohnbereiche abspielt. Denn auch hier wird der Raum offener aufgefasst. Dadurch kommt auch in kleinere Grundrisse mehr Großzügigkeit, und die Zusammenlegung der Wohnbereiche, in denen das private wie das gesellige Leben stattfindet – Wohnen, Arbeiten, Essen und Kochen – findet seinen Niederschlag in einem offenen Küchen-Layout, in dem immer häufiger eine zentrale Kücheninsel, kombiniert mit einem Essplatz, den Mittelpunkt bildet. Wände werden auf- oder abgebrochen und durch Kücheninseln, Raumtrenner, Sofasysteme, Schränke und Regale ersetzt.
Das ist im Bad nicht anders.
Möbel übernehmen immer mehr die Aufgabe, Zonen und Funktionen zu differenzieren. Das ist im Bad nicht anders. Daher wird modernes Baddesign Produkte bevorzugen, die diese architektonische Qualität besitzen; mit ihnen lässt sich eine eigene Atmosphäre generieren, Intimbereiche lassen sich abtrennen. Selbst Heizkörper werden, wie bei dem Modell Fedon (Kermi), zu Wohnobjekten, die sich farblich anzupassen verstehen und sogar zum Beleuchtungselement werden. Neben umfangreichen und modular aufgebauten Programmen, die alleine schon durch ihre Vielfalt an Schrankelementen, Oberflächen, Maßen und Ausstattungsvarianten von der Stand-, Wand- oder Decken- bis zur Aufsatzarmatur zu raumbildenden Arrangements kombiniert werden können, fallen auch Produktkonzepte auf, die ganz allein den Schritt von der Wand weg wagen und ihren eigenen Raum bilden, so wie etwa die Spiegelschrankwand Edition Atelier (Keuco). Auch die Mirrorwall (Duravit), die an sich schon ein Hingucker ist, schafft sich ihren eigenen Raum, der sich mit Öffnen der Türen vor und hinter den Waschbecken zu bilden scheint – vor allem dank optischer Effekte. Endgültig ins Reich architektonischer Bauelemente stößt das Schranksystem rc 40 (Burgbad) vor, das ein modulares System für vielfältige Raumaufteilungen bietet. Mit begehbaren Schränken, Waschtischen und Konsolen vermittelt rc 40 zwischen Architektur, Möbel und Sanitärobjekten. Und mit Sauna-Konzepten wie Inipi (Duravit) werden sogar ganze Räume, die einst im Keller standen, im Bad-Wohn-Bereich integriert.
Ursprünglich wollte Design die Produktwelt menschlicher machen – mit Hilfe der Ergonomie. Sie sucht die dingliche Umwelt dem menschlichen Körper anzupassen. Bei den Raumkonzepten für das Bad wird nach individuelleren Lösungen gesucht – hier wird die Raumaufteilung den Gewohnheiten und Idealvorstellungen Einzelner angepasst. Die professionelle Planung des Bades wird daher in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Der Badplaner wird zum Regisseur, der die Objekte inszeniert und vorgibt, wie der Mensch sich zwischen ihnen bewegen und wie er das Bad nutzen kann. Die räumliche Qualität des Bades wird dabei durch zwei gleichwertige Parameter bestimmt: zum einen durch die Gestaltung des Ambientes und die dramaturgische Wirkung von Formen, Farben, Materialien und Licht; zum anderen durch die räumliche Strukturierung mittels gezielt platzierter Sanitärobjekte. Um diese herum bildet sich aufgrund des benötigten Bewegungsspielraums, durch optische Differenzierung und/oder bauliche Elemente und Raumteiler ein „Hof“ – eine Nutzungszone.
Auch im Bad werden heute die Wege zwischen den einzelnen Stationen analysiert. Aber es geht dabei nicht in erster Linie um Effizienz, sondern um Aufenthaltsqualität und eine bedarfsabhängige Zonierung des größer gewordenen Platzangebots. Körperpflege wurde in unserem Lebensstil aufgewertet, da sie nicht nur der Hygiene dient, sondern auch dem Genuss und der Entspannung. Als wertvoller Bestandteil unserer Kultur wird die Körperpflege ausdifferenziert in unterschiedliche Teilfunktionen – wie Toilette, Reinigung und Erfrischung, Gesichts- und Schönheitspflege, Tagesroutinen, Abschalten und Entspannen, Ankleiden und sogar Fitness oder Geselligkeit.
Text: Claudia Wanninger