Sie machen sich für nachhaltige Produkte stark. Als Designer sind Sie aber doch von den sich stetig weiter- und schneller drehenden Produktzyklen abhängig. Wie stehen Sie zu der „bösen“ Konsumwelt?
Zunächst einmal müssen wir begreifen, dass wir keine Opfer dieser Konsumwelt sind. Nicht die „bösen“ Firmen sind das Problem, sondern wir. Wir haben heute Produkte, die meine Großmutter wohl für ewige Zeiten immer und immer wieder hätte reparieren lassen. Doch heute schmeißen wir an die siebzig Prozent der Produkte nur deshalb weg, weil sie modisch und ästhetisch out-of-date sind. Das ist unsere Schuld. Wir sollten ehrlich sein – und entweder beschämt einfach so weitermachen und das Problem ignorieren oder aber nach Lösungen suchen. Wir müssen mit den Firmen gemeinsam neue, vielleicht auch komplizierte Wege finden, damit sie ihre Mitarbeiter weiterhin ernähren und gleichzeitig langlebige Produktkonzepte entwickeln können, die nicht davon abhängig sind, andauernd neue Produktgenerationen hervorzubringen.
Das Problem ist doch, dass Reparieren kaum billiger, ja manchmal sogar teurer ist als ein komplett neues Produkt.
Aber muss das wirklich so sein? Bei hochwertigen Produkten würden sich auch andere, zum Beispiel modulare Lösungen anbieten. Da werden ganze Autos verscherbelt oder verschrottet, nur weil ein Neuwagen erstens ein schickeres Außendesign hat und zweitens einen schönen neuen Innenraum, der beim alten vielleicht schon ein bisschen siffig aussieht. Dabei kostet gerade die Innenausstattung eines hochwertigen Mittelklassewagens in Relation zum Gesamtprodukt so gut wie nichts – vielleicht 900 Euro. Das ist Plastikschrott.
Aber wenn die Autoindustrie plötzlich auf Teilerneuerungen setzen würde, käme schon unser halbes Wirtschaftssystem ins Wanken …
Das Alte zu glorifizieren, ist sentimental. Und Sentimentalität erschwert jeden Wandel. Solange das momentane Wirtschaftsprinzip noch existiert, müssen wir noch eine Form finden, Werte zu kreieren. Aber so langsam müssen wir mal neue Wege gehen. Und das hat nichts mit Öko-Romantik zu tun. Für mich ist das eine Frage der Mathematik.
Wie entwickelt sich die Zusammenarbeit mit Geberit?
Es fing mit einem Toilettendrücker an. Geberit hatte damals nur diese ganz normalen weißen Drücker. Mein Ansatz war banal: Das Bad ist eine Kombination aus Weiß und Chrom, das spielt aus dem Leben. Ich wollte aus dem Drücker etwas Edles machen, das in die Umgebung, die wir kreieren, wirklich hineinpasst – also in die Welt der Armaturen und der tollen Designerwelt. Und plötzlich wurde für Geberit dieses ganze Segment sehr erfolgreich, weil ab dem Moment, in dem der edle Chrom-Drücker auf den Markt kam, keiner mehr den komplett weißen Drücker haben wollte. Dieses kleine Segment und auch die Konkurrenz haben sich daraufhin komplett verändert.
Die lange Kundenbeziehung zu Geberit erscheint manchem sicherlich als Bruch zu Ihrem alten Yacht-Image. Was hält Sie in der Sanitärbranche?
Es ist weniger die Beziehung zur Branche als zum Kunden. Für mich hat die Sache direkt Klick gemacht. Da war eine der größten Firmen in der Sanitärbranche und keiner kennt sie wirklich, obwohl sie dreimal so groß ist wie andere, bekanntere Marken. Ich habe das Unternehmen als zutiefst bescheiden erlebt. Manchmal entwickeln Firmen ihren eigenen Moralstandard zum ethischen Ansatz, und Geberit hat einen Standard, der sich von dem anderer Firmen deutlich abhebt. Sie wollen immer perfekt sein, und das Thema Langlebigkeit hat einen hohen Stellenwert. Geberit gewährt 20 Jahre Ersatzteilgarantie! Das allein ändert das komplette Firmenbild, denn es bedeutet, dass jeder, der an einem Produkt arbeitet, das Ziel hat, dass es mindestens zwanzig Jahre hält. Schließlich will keiner ein riesiges Ersatzteillager. Das verpflichtet auch den Designer, denn es wäre doch katastrophal, wenn ein Produkt wegen des Narzissmus‘ des Designers in den Papierkorb wandert. Bei Geberit redet man nicht viel darüber, aber viele ihrer Produkte sind ökologisch wirklich fantastisch.
Eines Ihrer neuesten Produkte ist ein Dusch-WC. Ist das denn von Bedeutung?
Natürlich ist ein Dusch-WC eher unsexy als Produkt. Aber genau deswegen mag ich es. Ich habe um das Dusch-WC gebettelt. Ich war lange in Japan und hatte ein Dusch-WC. Und ich glaube immer noch, dass jeder, der mal für ein, zwei Monate eines in seinem Privathaus hatte, es nicht mehr aufgeben möchte, weil er sich sonst dreckig fühlt. Sie gehen morgens wahrscheinlich auch nicht aus dem Haus, ohne geduscht zu haben. Genau dieses Gefühl entwickelt man mit einem Dusch-WC. Es ist schon so etwas wie ein Underdog – es ist nicht beliebt, die Leute möchten nicht darüber reden. Aber mein Job als Designer ist es, dass sich die Begeisterung von diesem Thema in dem Produkt widerspiegelt und die Menschen sich damit auseinandersetzen.
Und wie kann ein Designer sich bei einem technisch so komplexen Produkt einbringen?
Als Designer bin ich ja nicht nur für die Optik zuständig, sondern arbeite mit dem Geberit-Team auch an der Ergonomie. Zum Beispiel: Wenn die Toilette so laut ist, dass andere Familienmitglieder aufwachen, ist das nervig. Außerdem will ich als Designer eine ökologische Toilette entwickeln, die mit wenig Wasser arbeitet. Jeder kann eine Toilette machen, die fantastisch reinigt, dabei aber laut ist und viel Wasser verbraucht. Natürlich kann man auch eine Toilette bauen, die mit sehr wenig Wasser auskommt und leise spült – aber die reinigt wahrscheinlich nicht besonders gut. Beide Varianten gibt es in irgendeiner Form. Mera hingegen ist kompromisslos. Es spült gründlicher, ist dabei leiser und verbraucht auch noch wenig Wasser.
Weitere Informationen:
www.geberit.com
christophbehlingdesign.com